Das Herrenhaus von Schloss Rheydt präsentiert eine faszinierende Sammlung zur Kunst- und Kulturgeschichte der Renaissance und des Barock. Sie vermittelt dem Besucher authentische Eindrücke des adeligen Lebens jener Zeit. Im Mittelpunkt steht, orientiert an der inszenierten Wunderkammer von Schloss Rheydt, das Weltbild jener Zeit voller Umbrüche, Entdeckungen und neuer Herausforderungen.
Nicht alles kann im Herrenhaus gezeigt werden. Aus Platzgründen finden sich viele Objekte im Magazin des Museums. Zu nennen ist insbesondere die überregional bedeutsame Sammlung von über 5000 Grafiken der Renaissance- und Barockzeit. In Sonderausstellungen oder im Leihverkehr mit anderen Museen werden auch diese Objekte immer wieder der Öffentlichkeit präsentiert.
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Der runde Holzkorpus der Flasche ist auf beiden Seiten mit knorpelwerkartigen Schnitzereien mit Rankenmotiven und Tieren versehen. In Der Mitte der einen Seite stellt die runde Elfenbeinintarsie einen Löwen dar, auf der anderen Seite ist das Wappen der Grafen Westerholt dargestellt. Die Tülle ist aus Messing gearbeitet. Der Hebel an der Tülle diente der einfachen Handhabung und möglichst genauen Dosierung des Schwarzpulvers beim Befüllen der Zündpfanne. An den beiden Ösen konnte eine Schnur befestigt werden, um die Pulverflasche bei der Jagd einfacher mitzuführen.
Vom Ende des 15. bis zum 18. Jahrhundert zählten Saufedern bzw. Spieße zu den gebräuchlichsten Jagdwaffen. Die Saufedern besitzen eine zweischneidig geschliffene Stahlklinge, die nach hinten in eine Tülle ausläuft. Die sichere Fixierung am Schaft war essentiell, da in die Enge getriebene Wildschweine sehr gefährlich waren. Eine Besonderheit der Jagdspieße ist der unterhalb des Blattes angebrachte Knebel, der in der Regel mit einem Lederriemen kurz unterhalb der Tülle im rechten Winkel zum Blatt befestigt wurde. Am Rand der Tülle ist noch die Lederbindung, mit der ursprünglich der Knebel angebunden wurde, zu erkennen. Meistens wurden organische Materialien dafür verwendet, wie z.B. ein Horn- oder Holzstück. Durch die flexible Bindung mit dem Lederriemen konnte sich der Knebel verschiedenen Bewegungsabläufen anpassen. Die Schäfte sind im oberen Bereich mit schmalen Lederriemen umwickelt, um den Händen mehr Halt zu bieten. Geschnitzte Schuppen- bzw. Stäbchenmuster bedecken jeweils die Holzschäfte, nur das jeweils unterste Stück ist schmucklos.
Der stählerne Bogen des Vogelschneppers (auch Kugelschnepper bzw. Kugelballäster genannt) ist schmucklos bis auf eine kleine runde Elfenbein-Intarsie an einer Seite des Schaftes. Die Visiersäulen dienten der Treffgenauigkeit. Mit dem integrierten Spannhebel konnte die Bogensehne aufgezogen werden. Der Hebelverschluss mit Federn gestattete es dem Jäger anschließend schnell zu schießen. Im Gegensatz zur Armbrust wurden mit dem Vogelschnepper keine Bolzen sondern Kugeln verschossen.
Die Armbrust ist reich mit gravierten Beineinlagen verziert, die sich über die gesamte Länge des Schaftes verteilen. Auf der einen Seite sind Szenen der Hirsch-, Bären- und Eberjagd zu sehen, die mit kunstvoll ornamentalen Pflanzenmotiven umspielt werden. Die andere Seite stellt einen Bauerntanz dar. Der heute fehlende stählerne Bogen der Armbrust war vermutlich einst bemalt bzw. graviert gewesen. Für das Spannen der Sehne wurde üblicherweise eine Zahnstangengewinde benutzt. Zur Ausrüstung des Jägers gehörte außerdem ein Köcher zur Aufbewahrung von Bolzen, die entsprechend ihren Zwecks verschieden geformte Eisenspitzen hatten. Sogenannte Prellbolzen hatten eine stumpfe Spitze und wurden beispielsweise bei der Jagd auf kleine Vögel verwendet, um diese möglichst unversehrt zu schießen. Bis weit ins 17. Jahrhundert zählte die Armbrust zu den bevorzugten Jagdwaffen. Leichte Armbrüste wie diese eigneten sich besonders gut für die Jagd auf Vögle und Kleinwildtiere, da man mit ihnen nahezu geräuschlos schießen konnte. Darüber hinaus konnte der Jäger das Wild lange Zeit mit gespannter Armbrust beobachten, ohne dass die Bogensehen nachgab.
Der niederländische Maler und "Meister des Marientodes" Joos Van Cleve schuf das Werk um 1530, vermutlich am Hof des französischen Königs Franz I. (1494-1547). Dieser hatte ihn im selben Jahr an seinen Hof berufen. Die dargestellte Dame war vermutlich eine Mätresse. Ihr Oberkörper ist entblößt und lediglich ihr Rücken und rechter Arm von einer Robe bedeckt. Sie schaut frontal aus dem Bild heraus, wenn auch ihr Oberkörper etwas nach links hinten gewandt ist. Die Haut der Dame ist vornehm blass. Sie trägt eine Halskette, Ohrringe und ein Armband sowie Schmuck in den Haaren. Der Hintergrund ist dunkel gehalten. Zwei drapierte grüne Vorhänge rahmen die Dargestellte.
Der Halbakt einer jungen Frau gab schon einigen Anlass zu Diskussionen. Zum einen wurde das Gemälde fälschlicherweise bis 2007 als Kopie nach Joos Van Cleve gehandelt. Zum anderen wurde das Portrait mit Leonardo da Vincis (1452-1519) "Mona Lisa" verglichen. Haltung und Gesichtszüge der von Cleve gemalten Mätresse erinnern entfernt an da Vincis "Mona Lisa". Es wird in der Kunstgeschichte deswegen vermutet, dass Cleve die "Mona Lisa" am französischen Hof selbst oder eine der zahlreichen zeitgenössischen Kopien gesehen hatte.
Das Werk mit dem Titel "Treiberjunge" stammt von dem niederländischen Maler Wallerant Vaillant. Es gehört zu dem in der damaligen Zeit in Adelskreisen beliebten Thema der Jagd. Das Brustbild zeigt einen nach links gewandten Jungen mit rotbraunen Haaren und einer Fellmütze. In seiner linken Hand hält er eine tote Ente. An einem Stock, den er über seiner rechten Schulter trägt, sind die Läufe eines toten Hasen zu erkennen. Zudem ist ein Lederriemen über seine rechte Schulter gelegt, vermutlich um weitere erlegte Tiere oder eine Waidtasche zu befestigen. Das Tragen der erlegten Tiere zeichnet den Jungen nicht als Jäger, sondern vielmehr als Jagdgehilfen aus.
Die typische Jahreszeit für die Jagd ist der Herbst. Dementsprechend herbstlich sind auch die im Bild verwendeten Rot- und Brauntöne. In Kalendern zum Beispiel wurde die Jagd gerne als Motiv für den November verwendet. Vaillant thematisiert mit dem Bild des Treiberjungen neben der Jagd auch den Herbst mit einer jahreszeittypischen Beschäftigung.
Darstellungen von Gemäldesammlungen sind seit dem Anfang des 17. Jahrhunderts, ausgehend von Flandern und besonders Antwerpen, verbreitet. Neben Gemälden wurden auf diesen Bildern auch Plastiken und Kunsthandwerk gezeigt. Antwerpener Werke dieses Themas zeichnen sich häufig dadurch aus, dass die dargestellten Gemälde tatsächlich existierten und identifiziert werden konnten. Diese realen Arbeiten werden zu einer fiktiven Galerie kombiniert.
Das Rheydter Gemälde von Johann Michael Bretschneider zeigt 35 Gemälde, die über- und nebeneinander ohne separate Rahmung die gesamte dargestellte Galeriewand bedecken. Ein Durchgang führt in einen durchfensterten Raum, in dem auf einem Tisch wissenschaftliche Geräte, wie ein Globus und Bücher, zu sehen sind. Wie in dieser Zeit üblich werden die Berieche Kunst und Wissenschaft nicht streng voneinander getrennt. Fast alle Gemälde können einer tatsächlich existierenden Vorlage zugeordnet werden. SO geht das dritte große Gemälde von links, untere Reihe, auf einen Kupferstich von Albrecht Dürer zurück und zeigt den Heiligen Hieronymus.
Der vergoldete Ring zeigt auf der Oberseite ein Wappen in negativer Gravur. Das Besondere ist jedoch nicht das Wappen, sondern liegt zunächst darunter verborgen. Unter der klappbaren Oberseite verbergen sich ein Kompass sowie gravierte Striche und Zahlen, die vermutlich als Sonnenuhr dienen. Neben dem kunsthandwerklichen Aspekt stellt der Ring eine hochwertige technische Spielerei des 16. Jahrhunderts dar. Vielleicht gehörte er einem Baumeister oder wurde auf Reisen genutzt.
Dargestellt ist die Heilige Familie. Im Hintergrund sind eine Landschaft und eine Stadt zu sehen. Im Bildvordergrund liegen auf einer Balustrade stilllebenartig einige Objekte. Marie hat das unbekleidete Jesuskind auf dem Schoß, welches in beiden Händen Kirschen hält. Diese gelten als Symbol für das ewige Leben sowie für die späteren Wundmale Jesu. Das Jesuskind wendet sich nach links zu der Männergestalt, die mit großer Wahrscheinlichkeit Josef darstellt.
Das Gemälde zeigt italienische und niederländische Einflüsse. Die Komposition in der Art eines Stilllebens spricht für niederländische Einflüsse. Die liebliche Darstellung der Madonna hingegen ist italienisch beeinflusst und erinnert an Leonardos Madonnabilder. Das spricht auch für die Zuschreibung des Gemäldes an den Umkreis Joos van Cleves und Quentin Massys', da beide in ihrer Darstellungsweise von der italienische Renaissance im Stil Leonardos beeinflusst waren.
Seit denn Mittelster war die Jagd das Privileg des Adels und gehörte zu dessen Freizeitvergnügen. Sie stellte ein gesellschaftliches Ereignis dar. Entsprechend kunstvoll wurde die Ausrüstung, beispielsweise Jagdwaffen oder Pulverhörner, gestaltet. Bei der Treibjagd wurden die Tiere zunächst von Treibern und Hunden zusammen getrieben, meist auf eine offene Wiese. Dieses Areal schloss man mit Leinen und so genannten Jagdlappen ein, um das Wild in dem Jagdrevier zu halten. Entwich dennoch ein Tier, war dies den Jägern "durch die Lappen gegangen".
Dieser Jagdlappen zeigt auf der Vorderseite das Wappen des Besitzers, des Grafen Reinhard von Hanau-Lichtenberg. Auf der Rückseite ist der Kopf eines dunkelhäutigen Mannes mit Turban und Federn abgebildet. Diese Abbildung sollte dazu beitragen, die Tiere im abgeteilten Gebiet zu halten. Es herrschte die Meinung, die Tiere würden das Unbekannte scheuen und einen dunkelheutigen Menschen hätten diese schließlich noch nie gesehen.
Mit der Renaissance kam es zu einem Wandel im Berufsbild des Baumeisters hin zum Architekten im heutigen Sinne. Bauentwurf und Bauausführung lagen nicht mehr wie beim mittelalterlichen Werkmeister in einer Hand. Der Architekt entwirft mit Hilfe von Arbeitsgeräten wie einem Stechzirkel, Einhand-Zirkel und Reduktionszirkel ein Bauwerk und überwacht, wenn überhaupt, dessen Bau.
Lautensack, Heinrich, Des Circkels unnd Richtscheyts, auch der Perspektiva und Proportion der Menschen und Rosse kurtze, doch gründtliche Underweisung deß rechten Gebrauchs: Mit vil schönen Figuren, [...].Durch Heinrich Lautensack, Goldschmid und Maler zu Franckfurt am Mayn, 1564.
In Anlehnung an Dürers Unterweysung der Messung, mit dem Zirckel und Richtscheydt, [...] Nürnberg 1525, erschienen weitere Werke zur Perspektive und Geometrie, bei denen die praktischen Fertigkeiten im Mittelpunkt standen. Hierzu zählt vor allem das populäre, reich illustrierte Werk Lautensacks, das im Frühjahr 2011 für das Städtische Museum Schloss Rheydt ersteigert werden konnte.
Lautensack, Heinrich, Des Circkels unnd Richtscheyts, auch der Perspektiva und Proportion der Menschen und Rosse kurtze, doch gründtliche Underweisung deß rechten Gebrauchs: Mit vil schönen Figuren, [...].Durch Heinrich Lautensack, Goldschmid und Maler zu Franckfurt am Mayn, 1564.
Die glasierte Terrakottaplastik zeigt einen Männerkopf im Fruchtkranz und weist gestalterisch und inhaltlich Parallelen zu den Tondi auf, die sich an der Arkadenhoffassade des Herrenhauses befinden. Diese Reliefs sind im Zuge des Umbaus unter Otto von Bylandt (1531 - 1591) angebracht worden und stehen ganz im Geiste der Renaissance. Sie zeigen römische Helden und sind Beispiele der damals verbreiteten Antikenrezeption.
Die farbige glasierte Terrakottaplastik im Schloss stammt aas der Werkstatt der berühmtem italienischen Familie della Robbia in Florenz. Lucca della Robbia (um 1400 - 1481) hatte das Verfahren der glasierten Terrakottaplastik entwickelt. Dieses konnte die aufwändigeren Marmorarbeiten ersetzen und wurde für die Herstellung von Bauplastiken verwendet.. Das künstlerische Niveau der della Robbia war sehr hoch. Typisch für Plastiken der Künstlerfamilie ist die blau-weiße Farbgebung, auch Grün und Gelb, zum Beispiel für die Glasur von Fruchtkränzen, wurden häufig verwendet.
Umkränzt von einem Rand aus Früchten und Blüten ist eine Szene aus dem Jugurthinischen Krieg 111 - 105 v. Chr. dargestellt. Die kriegerische Auseinandersetzung fand zwischen der Römischen Republik und König Jugurtha von Numidien statt. Vorausgegangen war ein Erstreit um das römische Vasallenkönigreich Numidien, nachdem der König Micipsa gestorben war. Das Reich wurde schließlich unter dem Sohn des Königs Addherbal und seinem unehelichen Sohn Jugurtha aufgeteilt. 112 v. Chr. überfiel Jugurtha seinen Halbbruder und eroberte dessen Herrschaftsgebiet rund um die Stadt Cirtas.
Derartige Szenen der Römischen Antike wurden häufig in der Renaissance dargestellt und sind typisch für den damaligen Bildungsanspruch.
Der große Humpen aus dem 17.Jahrhundert gehört zu den im 16. bis 18. Jahrhundert verbreiteten „Reichsadler-Humppen". Das waren Trinkgefäße, die mit dem doppelköpfigen Reichsadler versehen waren und bildlich den Aufbau des Heiligen Römischen Reiches erklärten. Sie zeugten von einer Verbundenheit des Besitzers mit dem Reich. Genutzt wurden derartige Humpen meist von niederen Adeligen und Bürgern. Im gehobenen Adel waren sie wenig verbreitet. Die Herrstellungstechnik der Emailmalerei kam ursprünglich aus Venedig. Dabei wird pulverisiertes Glas der Malfarbe hinzugefügt, durch das Schmelzen in einem Ofen verbindet sich die aufgetragene Farbe fest mit dem Untergrund.
Der Humpen in Schloss Rheydt zeigt den üblichen Doppeladler mit einer Krone und einem Heiligenschein versehen. Vor der Brust sind der Reichsapfel und ein Kreuz zu sehen. Auf den ausgebreiteten Flügeln ist eine Reihe von Wappen samt Beschriftung angebracht. Auf dem heraldisch rechten Flügel (vom Betrachter aus links) sind im oberen Teil die Wappen der drei geistlichen Fürstentümer Trier, Köln und Mainz sowie von Rom dargestellt. Heraldisch links (vom Betrachter aus rechts) finden sich im oberen Teil die Wappen der vier weltlichen Kurfürstentümer Böhmen, Pfalz, Sachsen und Brandenburg. Des Weiteren werden auf den Federn des Adlers die Wappen von Herzögen, Landgrafen, Tragen und Rittern gezeigt. Die aufgetragene Inschrift besagt: „Das Heilige Römische Reich mit allen seinen Gliedern Anno 1673."
Ein weiteres Stück mit der Renaissance-typischen Darstellung Römischer Helden ist die Truhe mit Intarsien aus dem 17. Jahrhundert. Große Truhen wie diese waren weit verbreitet und dienten neben der Aufbewahrung auch dem Transport von Habseligkeiten. Da Adelsherren viel reisten und selten das ganze Jahr auf einem Herrschaftssitz blieben, war es nötig, sein Hab und Gut mit Hilfe von mobilen Truhen zu transportieren. Deswegen hatten die Truhen in der Regel Griffe zum Tragen. Mehrere Truhen übereinander konnten einen Schrank bilden. Von diesem Mobilitätsanspruch leitet sich auch unsere heutige Bezeichnung "Möbel" ab.
An der Vorderseite befinden sich drei etwas tiefer liegende Felder, die jeweils eine Figur in Einlegearbeit zeigen. Die mittlere Figur stellt einen Krieger dar, der sein Schwert empor hält. In den Feldern rechts und links ist zweimal das gleiche Motiv gespiegelt dargestellt. Es handelt sich ebenfalls um einen Krieger, der wie im Kampf sein Schwert zieht. Die dargestellten Abbildungen gehen auf die 1586 erschienene Serie "Die Römerhelden" von Hendrick Goltzius (1558 - 1617) zurück. Die beiden seitlichen Felder zeigen Manilas Torquatus. In der Mitte ist Publius Horatius Cocles zu sehen. Dieser findet auch auch an der Arkadenhoffassade des Rheydter Herrenhauses unter den vier römischen Helden im Fruchtkranz.